Das Dorf mit Bahnhof und die Sandgrube als Bodenschatz

Der helle Stein im roten Hellstein

Die klassizistische Kirche von 1844, das malerische Pfarrhaus und das historische Backhaus lassen kaum vermuten, dass das kleine Bauerndorf Hellstein nicht nur ein Motor der Industrialisierung sondern auch ein sozialpolitisch engagiertes Arbeiterdorf war. Bis zu 45 Meter mächtig liegt hier eine Schicht blütenweißen Quarzsandsteins. Er wurde als wertvoller Rohstoff abgebaut.

Wahrscheinlich gab der helle Sandstein dem Dorf seinen Namen. Zwischen den Basalthängen links und rechts des Reichbachtales ist er eine geologische Besonderheit und wurde schon früh genutzt, um Mühlsteine zu schlagen. Während der Industrialisierung hat das Hellsteiner Quarzsandwerk die Grube bis 1963 mit bis zu 35 Mitarbeitern ausgebeutet. Es belieferte über den kleinen Hellsteiner Bahnhof Firmen in der näheren Umgebung und ganz Hessen mit Quarzsand. Noch heute führt die Sandwerkstraße zur Grube am Hammerküppel zwischen Hellstein und Birstein. Eine umfangreiche Präsentation der Sandwerksgeschichte in Wort und Bild zeigt das Brachttal-Museum in Spielberg. Der Sand war auch für die Waechtersbacher Keramik bedeutend. Sie stellte aus dem hochreinen Quarzsand Glasuren her.

Adolf Schäfer rechts, sein Bruder Heinrich in der Mitte und links Johannes Kurz mit seinem Sohn Reinhold aus Hellstein. Alle drei Männer waren engagierte Mitglieder in der KPD. Der Anlass für das Foto ist unbekannt, Adolf Schäfer war Hobbyfotograf.
Adolf Schäfer rechts, sein Bruder Heinrich in der Mitte und links Johannes Kurz mit seinem Sohn Reinhold aus Hellstein. Alle drei Männer waren engagierte Mitglieder in der KPD. Der Anlass für das Foto ist unbekannt, Adolf Schäfer war Hobbyfotograf.
Arbeiter transportieren mit Loren den Sand aus der Grube zum Sandwerk. Mit der Eisenbahn wurde er anschließend verschickt.
Arbeiter transportieren mit Loren den Sand aus der Grube zum Sandwerk. Mit der Eisenbahn wurde er anschließend verschickt.

Auf alten Terrinen, Tassen oder Vasen der Waechtersbacher Keramik findet sich immer der Rohstoff aus Hellstein.

Die Industrialisierung veränderte auch hier die Bevölkerung: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wohnten in Hellstein vor allem Arbeiterfamilien.
Viele engagierten sich in Arbeiterräten und organisierten sich gewerkschaftlich. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Sozialistische Arbeiter Jugend (SAJ) Hellstein-Neuenschmidten etwa 80 Mitglieder. Dass am 20. Juni 1926 bei dem Volksentscheid zur Fürstenenteignung 91 % der Hellsteiner für eine Enteignung stimmen, zeigt den Konflikt zwischen Arbeiterschaft und der Leitung der Fabrik. Bei der Reichstagswahl 1933 erhielten SPD und KPD noch 65 % der Stimmen, bevor die nationalsozialistische Ideologie die Gesellschaft durchdrang: Die Synagoge wurde 1938 aufgelöst und 32 Brachttaler BürgerInnen wurden wegen ihres jüdischen Glaubens und eine junge Frau wegen ihrer psychischen Erkrankung durch die Nationalsozialisten ermordet. Der „Weiße Garten“ an der Alten Schule setzt ihnen ein Andenken.

Der Bahnhof Hellstein mit der Dampflok der Vogelsberger Südbahn. Die Bahnstrecke führte zeitweilig bis nach Hartmannshain und war bis 1967 in Betrieb.
Der Bahnhof Hellstein mit der Dampflok der Vogelsberger Südbahn. Die Bahnstrecke führte zeitweilig bis nach Hartmannshain und war bis 1967 in Betrieb.

Literatur

Wittrock, Christine: Kaisertreu und führergläubig.
Impressionen aus dem Altkreis Gelnhausen. Hanau 2006